Es war ein ganz normaler Dezembertag, als alles begann. Zu Fuß holte ich unsere kleinste fünfjährige Tochter vom Kindergarten ab. Kaum hatten wir, auf dem Weg nach Hause, den Kindergarten verlassen, als sie plötzlich aus heiterem Himmel mit dem linken Fuß zu humpeln anfing und nicht mehr richtig weitergehen wollte. Im ersten Augenblick dachte ich, dass sie vielleicht beim Spielen irgendwo heruntergefallen sei und sich dabei den Fuß verstaucht hätte, dies wurde jedoch von ihr verneint. Offensichtlich hatte sie Schmerzen im Bereich der linken Leiste bzw. des linken Oberschenkels und Knies.
Da ich mir auf die Schmerzen keinen großen Reim machen konnte, gingen wir langsam weiter, von Zeit zu Zeit trug ich sie ein Stück des Weges. So kamen wir nach Hause. Der Nachmittag verging ohne besondere Vorkommnisse, wir unterhielten uns nochmals über den wehen linken Fuß, aber nachdem dieser wohl nicht mehr so weh tat beließen wir es erst einmal dabei und wollten erst mal die Nacht abwarten. Am nächsten Tag in der Früh um halb sechs Uhr, klagte sie über erhebliche Schmerzen im Bereich der linken Hüfte. Die Schmerzen waren jetzt so stark, dass sie nicht mehr aufstehen konnte und vor sich hinweinte.
Nun stellte sich die Frage, welche geeignete Maßnahme einzuleiten war um ihr schnellstmöglich helfen zu können, besonders im Hinblick darauf, dass so früh noch kein Kinderarzt verfügbar war. Mein erster Diagnoseversuch war eine akute Blinddarmentzündung. Wie bekannt, kann eine Blinddarmentzündung in jedem Alter auftreten, etwa 10% der Erkrankungen sind auf Kinder und Jugendliche beschränkt wobei Blinddarmentzündungen erst bei Kindern ab dem Einschulungsalter häufiger auftreten. Es war klar, dass bei einer akuten Blinddarmentzündung sofort gehandelt werden muss da Lebensgefahr besteht. Nur war es wirklich eine Blinddarmentzündung, eine Entzündung des Wurmfortsatzes? Mich machte stutzig, dass sich die Schmerzen eindeutig auf die linke Hüfte zu beschränken schienen und dieser Bereich eindeutig abgrenzbar war. Bei einer Blinddarmentzündung hat man Bauchschmerzen, die im Bereich des Bauchnabels beginnen und dann in die rechte Seite des Unterbauchs wandern. Der Bauchschmerz verstärkt sich beim Gehen, besonders wenn das rechte Bein bewegt bzw. angehoben wird. All dies war aber bei unserer Tochter nicht der Fall. Mittlerweile war es kurz nach sechs Uhr in der Früh und wir beschlossen auf die Öffnung der ersten Kinderarztpraxen nicht zu warten, sondern unverzüglich in die nächste Kinderklinik zu fahren. Dort wurde sehr schnell, der uns bis dahin nicht bekannte Hüftschnupfen (Coxitis fugax), diagnostiziert.
Die Coxitis fugax, auch Hüftschnupfen, Coxalgia fugax oder Transiente Synovitis genannt stellt eine flüchtige bzw. kurzfristige Entzündung des Hüftgelenks dar welche in der Regel ohne irgendwelche bleibenden Schäden zu hinterlassen in ein bis zwei Wochen wieder ausheilt. Die Entzündung tritt vorwiegend bei Kindern zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr, häufiger bei Jungen, auf.
Einem Hüftschnupfen geht meist eine Atemwegsinfektion oder eine Magendarmgrippe voraus, die aber zum Zeitpunkt der Hüftschnupfendiagnose meist schon wieder abgeklungen sind. In der Regel ist ein Hüftschnupfen harmlos, ist zu Beginn jedoch schwer von anderen ernsthafteren Hüft- und Gelenkserkrankungen zu unterscheiden. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich um die Diagnose Hüftschnupfen stellen zu können. In jedem Fall ist durch engmaschige Ultraschalluntersuchungen der Gelenkserguss regelmäßig zu kontrollieren. Ein Röntgenbild ist zur Diagnosestellung im Normalfall nicht notwendig, kann jedoch im Einzelfall oder bei Verdacht auf eine andere Erkrankung sinnvoll sein.
Die Ultraschalluntersuchung, fachtechnisch richtig Sonografie, ist ein bildgebendes Verfahren mittels Ultraschall zur Untersuchung von organischem Gewebe. Ein entscheidender Vorteil der Sonografie gegenüber, dem in der Medizin häufig verwendeten Röntgen, liegt in der Unschädlichkeit der eingesetzten Schallwellen und kann daher auch bei sensiblem Gewebe wie bei Ungeborenen angewendet werden.
Am späten Nachmittag verließen wir wieder die Kinderklinik, nachdem eine eingehende manuelle Untersuchung und eine Sonografie durchgeführt wurden. Zur Kontrolle einer möglichen bakteriellen Entzündung wurde sicherheitshalber noch eine kleinere Menge Blut entnommen und der Wert der Leukozyten bestimmt. Zwar war der Wert etwas erhöht, hätte jedoch, wäre eine bakterielle Entzündung vorgelegen, wesentlich höher sein müssen.
Leukozyten oder weiße Blutkörperchen sind bestimmte Zellen des Körpers, die beispielsweise im Blut und im Knochenmark vorkommen. weiße Blutkörperchen (Leukozyten) enthalten im Gegensatz zu roten Blutkörperchen (Erythrozyten) nicht den roten Farbstoff Hämoglobin und deshalb unter dem Mikroskop hell bis weiß erscheinen. Die quantitative Zusammensetzung der Leukozyten im peripheren Blut wird im Differentialblutbild erfasst. Leukozyten erfüllen spezielle Aufgaben in der Abwehr von Krankheitserregern welche sie unschädlich machen und sind daher gewissermaßen die Blutpolizei im Körper.
Zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sollten wir unserer Tochter alle acht Stunden 7,5 ml Nurofen® Junior Fiebersaft 2% verabreichen. Es verstand sich von selbst, dass wir das Kind soweit wie möglich trugen und ihr die absolut notwendige Bettruhe mit Kinderkassetten aus der Bücherei versuchten zu versüßen. Dank des Fiebersaftes konnte sie in dieser Nacht gut schlaffen und so verging ein aufregender Donnerstag. Am nächsten Tag in der Früh vereinbarten wir bei einer nahegelegenen Kinderärztin einen Untersuchungstermin zur Kontrolle des Gelenksergusses. Wie bereits erwähnt ist es wichtig den Hüftschnupfen im Auge zu behalten und zwar insofern, ob sich der Gelenkserguss verändert, sprich zur vorhergehenden Untersuchung noch gleich groß ist oder kleiner bzw. größer wurde. Hierbei kann eine Referenzaufnahme der letzten Untersuchung hilfreich sein. Auch erscheint es als sinnvoll, dass eine zweigeteilte Bildschirmdarstellung gewählt wird, wobei auf der einen Seite das gesunde Hüftgelenk und auf der anderen Bildschirmseite das erkrankte Hüftgelenk dargestellt wird.
14 Tage nach der Diagnose hatte unsere Tochter ihre Abschlussuntersuchung. Wieder wurde die erkrankte Hüftseite der Gesunden gegenübergestellt und es zeigte sich, was sich in ihrem Verhalten bereits angedeutet hatte, dass der Erguss vollkommen zurückgegangen war. Die Diagnose bakterielle Gelenkentzündung bzw. Rheuma blieb uns erspart, dies wünschen wir allen Betroffenen.